Sunday, December 04, 2005

Mobile Anwendungen verändern Strukturen und Prozessmanagement

Dem Management der wertschöpfenden Aktivitäten kommt in unserer globalen Wirtschaft eine immer grössere Bedeutung zu. Unter der bestehenden Wettbewerbskonstellation können es sich die Unternehmen nicht mehr leisten, allgemein zugängliche Verbesserungspotentiale bezüglich Effizienz und Effektivität, Services und Qualität nicht zu nutzen. Ein derartiges Verbesserungspotential stellen die mobilen Anwendungen dar. Es gilt die Prozessorganisation auf die diesbezüglichen mobilen Technologien hin auszurichten, damit sich ein entsprechender Mehrwert generieren lässt.

Dr. Andreas Würgler*

Die Anwendungen für mobile Lösungen im Unternehmen sind vielfältig und umfassen Querschnittfunktionen (horizontale Anwendungen) und spezifische Branchenlösungen (vertikale An-wendungen). Mangels entsprechender Möglichkeiten hat man bis heute kaum zur Kenntnis genommen, dass die meisten Funktionsbereiche ebenfalls eine „mobile Dimension“ aufweisen. In Zukunft wird man sich bei der Prozessgestaltung die Frage zu stellen haben, ob Prozesse und Prozessketten ebenfalls über eine Plattform mobil verfügbar zu machen sind.

Unter dem Prozessmanagement sollen in der Folge alle planerischen, organisatorischen und kontrollierenden Massnahmen zur zielgerichteten Steuerung der Wertschöpfungskette eines Unternehmens verstanden werden. Prozessorientierung bedeutet ferner die konsequente Ausrichtung der Verrichtungen auf den Kunden hin. Die organisatorischen Prozesse sind in administrativer Hinsicht noch auf stationäre Systeme ausgerichtet. Diese Grundhaltung hat sich in unserem Bewusstsein über Jahrzehnte tief verankert. Veränderungen brauchen Zeit und so wird es denn noch dauern, bis wir die Umstellung in unseren Köpfen vornehmen können, Arbeiten dort zu erledigen, wo sie anfallen, das heisst das ist nicht länger nur der Computer auf dem Schreibtisch des Büros im vierten Stock der Firmenzentrale hinten links.

Die mobile Verfügbarkeit von Informationen und Services weist die interessantesten Verbesserungspotentiale bei den Prozessen der Eingangs- und Ausgangslogistik, Marketing + Vertrieb sowie dem Kundendienst auf. Beispielsweise kann ein Kunde auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin jederzeit und überall erreicht werden, oder der Kundendienst verfügt in Notfällen sofort über die erforderlichen Pläne und Unterlagen, oder Warenströme lassen sich minutiös verfolgen, oder es werden wichtige Informationen im Laden via Transponderetiketten auf das Handy geladen, oder die Bezahlung erfolgt verlässlich authentifiziert mit einem Handy...

Eine lange Liste von möglichen mobilen Anwendungen. Dabei handelt es sich nicht um blosse Zukunftsmusik und verträumte Schwärmereien von Technikverliebten; das sind in verschiedenen Bereichen bereits Fakten. Es handelt sich auch um Entwicklungen, die es bei der organisatorischen Planung mitzuberücksichtigen gilt.

Entscheidend ist dabei, dass die mobilen Anwendungen nicht primär einen defensiven, nur auf Kostensenkung, Effizienz- und Effektivitätssteigerungen ausgerichteten Charakter aufweisen. Vielmehr sind sie in der Lage, eine Reihe von wertschöpfungsträchtigen Services zu generieren. Dies in der Regel über eine mobile Plattform, welche Services wie Auswahl der bestgeeigneten Kommunikationstechnologie, Sicherheitsservices, Services zur kundenfreundlichen Handhabung, einfacher Zugang zu gebündelten Informationen oder Links zu denjenigen anbietet.

Nicht zu verkennen ist jedoch, dass das Feld für die Nutzung der mobilen Anwendungen in organisatorischer Hinsicht schlecht vorbereitet ist. Die Prozesse sind von den Traditionen der stationären Zwänge geprägt und auf diese ausgelegt. Unverändert auf diese aufgesetzt entsteht durch die mobile Verfügbarkeit nur ein beschränkter Nutzen. Hierin ist in den nächsten Jahren der eigentliche Hemmfaktor für eine schnelle Verbreitung mobiler Anwendungen in den Unternehmen zu sehen. Dennoch zeichnet sich eines klar ab: im Prozessmanagement wird die Frage der Verfügbarkeiten von Anwendungen, d.h. stationär, mobil oder eine Kombination von beiden bald zum Selbstverständnis.

Das ist eine der Herausforderungen im Zusammenhang mit den mobilen Anwendungen. Die andere besteht in der Zunahme an Komplexität, wenn stationäre Anwendungen um mobile ergänzt werden. Hier besteht die Kunst darin, die Prozesse mit bescheidenen Mehrkosten parallel – d.h. stationär und mobil zu fahren – und dadurch einen die Aufwendungen deutlich übersteigenden Nutzen zu generieren. Es gilt unter allen Umständen eine zu grosse Komplexität zu vermeiden, deren „Verwaltung“ danach den generierten Nutzen übersteigt.
Wenn wir die potentiell vorhandenen Möglichkeiten des Mobile Business in Marketing und Vertrieb vor uns haben, müssen wir uns überlegen, welchen Komplexitätszuwachs wir mit den entsprechenden Lösungen auf den nachfolgenden Prozessstufen auslösen. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Komplexitäten von Stufe zu Stufe erhöhen und ab einem bestimmten Punkt mit vernünftigem Aufwand nicht mehr beherrschbar sind. Der Mehrnutzen mobiler Anwendungen wird damit zunichte gemacht.

Wir haben es daher mit einem sensiblen strategischen Problem zu tun. So wird man es sich in Produkt- und Dienstleistungsbereichen mit bescheidenen Margen zweimal überlegen müssen, ob das Multi-Channel-Marketing mit einer Reihe von Distributionskanälen Telefonmarketing, m- und e-Commerce inklusive der klassischen Absatzkanäle angebracht ist. Ganz anders sieht dies bei Produktgruppen mit einer hohen Gewinnspanne aus. Hier kann man sich den erforderlichen Koordinationsaufwand sehr wohl leisten.

Trotz diesen restriktiven Bedingungen bleibt es dabei: mit einer strategisch geschickten Verknüpfung der Wertschöpfungsketten lassen sich die Umsätze und nicht zuletzt die Gewinnpotentiale verschiedener Branchen wesentlich erhöhen.

Der eigentliche Gewinner der Entwicklung mobiler Dienste kann die Medienindustrie sein, momentan jedoch steht sie den Herausforderungen in strukturellen Belangen noch weitgehend machtlos gegenüber. Die traditionellen Modelle der Finanzierung von Verlagsobjekten mittels Inseraten sind überholt und greifen nicht mehr. Die anstehenden Herausforderungen können nur mit einer fundamentalen Restrukturierung bewältigt werden. Innovative Geschäftsmodelle kombiniert mit strategischen Allianzen, Konzentration auf Kernkompetenzen und neue Schnittstellen sind angesagt.

Der Bereich Transport und Logistik kann sich mobiler Führungs- und Organisationssysteme bedienen, welche die Effizienz und Effektivität erhöhen und einen neuen Dienstleistungskomfort der Branche ermöglichen. Die Handelsfunktionen lassen sich weiter automatisieren und qualifizieren. Transponderetiketten beschleunigen das Verfahren an der Kasse und senken die Diebstahlquoten.

Die Prozesse der Bauwirtschaft lassen sich unter interaktivem Einbezug der auf den Baustellen Tätigen neu gestalten. Die Prozesse von der Projekt- und Bauplanung, dem Verfahrens-, Kosten- und Terminmanagement gehen neue Wege und werden für alle Beteiligten transparent.

Das Gesundheitswesen profitiert vom Angebot mobiler Endgeräte wie wireless-Notebook / Tablet PC, welche in einem Netzwerkverbund über eine mobile Plattform eine bessere Versorgung gewährleisten können. Dazu gesellen sich die vielfältigen Möglichkeiten des Dauermonitorings von Patientinnen und Patienten.

Mit dem mBanking und dem mGovernment verfügen zwei weitere Dienstleistungssektoren über Möglichkeiten einer verbesserten Kundennähe und innovativer Dienstleistungsangebote. Dabei übernehmen spezifisch ausgerichtete, mobil zugängliche Plattformen eine wichtige Drehscheibenfunktion für Führung und Organisation sowie zur Generierung von Mehrwert.

In seinem Fachbuch „Mobile Business für Manager“,Orell Füssli Verlag AG, Zürich, 2004, geht der Autor ausführlich auf die aufgeführten Themenbereiche ein.

* Dr. Andreas Würgler ist geschäftsführender Gesellschafter der WDP Projektmanagement, CH-4614 Hägendorf und befasst sich seit Jahren mit den Entwicklungsperspektiven der Informations- und Kommunikationstechnologien. In seinem Fachbuch „Mobile Business für Manager“, Verlag Orell Füssli, Zürich, 2004 geht er in einer gut verständlichen Sprache ausführlich auf die Bedeutung des mobile Business für Wirtschaft und Gesellschaft ein. Er zeigt auf, wo Prozesse neu zu gestalten, welche Branchen besonders betroffen sind und welche neuen Geschäftsmodelle sich eröffnen.